Die ersten zwei Wochen als Volontärin

von Renita Heinrichs

Meine ersten beiden Wochen in Israel sind rum und haben bereits deutlichen Eindruck in mir hinterlassen. Es gibt so viele Dinge hier in Israel, die besonders schön, herausfordernd oder einfach nur eindrucksvoll sind und davon möchte ich hier ein wenig berichten.

Grundsätzlich muss ich sagen, dass es für mich ein besonderes Privileg ist, in einem Land zu leben, in dem es keine Schande ist, ein Jude zu sein und wo dieser Glaube frei und ungehindert gelebt werden kann, wenn man von den Anschlägen etc. absieht. Du gehst durch die Straßen und erkennst die Juden an der Kleidung, an der Kippa oder an der Frisur und keiner scheut sich davor, sich zu »outen«. Das beeindruckt mich immer wieder.

Und trotz allem ist der Judenhass immer präsent und wird einem immer wieder bewusst, wenn man durch die vielen Sicherheitskontrollen darauf aufmerksam gemacht wird, dass hier in Israel immer der Gefahr eines Anschlags oder ähnlichem präventiv begegnet werden muss. Fährst du beispielsweise in ein Parkhaus, wird zuerst dein Kofferraum kontrolliert, bevor du ein Ticket ziehen kannst, gehst du in ein Kaufhaus, kannst du dazu aufgefordert werden, deine Tasche kontrollieren zu lassen, oder fährst du in bestimmte Ortschaften oder Kibbuzim, musst du zuerst durch eine Schranke gelassen werden. Und überall gibt es Soldaten mit ihren umgehängten Gewehren. In den deutschen Nachrichten bekommt man diese ja auch immer wieder zu sehen, nichts Neues also könnte man meinen.

Während ich allerdings die Soldaten beobachte, als echte reale Menschen, denen ich die Hand reichen kann und die miteinander sprechen, und sie mit ihren Militärfahrzeugen wegfahren sehe, wird mir auf einmal bewusst, was diese Menschen auf sich nehmen, dass sie gerade unterwegs in ein Gebiet sind, von dem sie möglicherweise nicht mehr lebend zurückkommen und dabei Familie, Freunde, vertraute Menschen zurücklassen müssen, nur weil sie ihr eigenes Land verteidigen und für ihre und unsere, für meine persönliche Sicherheit sorgen. Das hat mich irgendwie richtig ergriffen und ergreift mich auch jetzt, wo ich diese Gedanken aufschreibe. Ich habe größten Respekt vor diesen Menschen!

Was hier auch allgegenwärtig ist, sind die Kampfgeräusche und die Alarme. Direkt am ersten Abend in Maalot stehe ich auch dem Balkon und werde direkt von Beschuss »begrüßt«, der vom Libanon laut und deutlich zu hören ist. Teilweise sind die Explosionen so laut, dass man regelrecht zusammenzuckt. Jeden Tag höre ich die Kampfgeräusche von der Grenze, mal mehr und mal weniger intensiv, mal den ganzen Tag über, mal eher morgens oder mal eher abends, aber immer sind sie da.

Im Arbeitsalltag werden wir ebenfalls immer wieder an die kriegsbedingte Ausnahmesituation erinnert, in der wir uns aktuell befinden. Das spüren wir vor allem durch die Verlagerung der meisten Arbeit in den Bunker. Beide Stationen, Großküche und Stationsküchen sind auf die Bunkerebene verlegt worden und auch für mein Büro gibt es bereits eine Notlösung unter der Treppe im Bunker, da ich in meinem normalen Büro durch das Fenster direkt in den Norden schaue und nur eine Decke über mir habe. Mit den Heimbewohnern können wir nur raus, wenn wir sicherstellen können, dass wir schnell wieder ins Haus können.

Bei einem meiner ersten Spaziergänge mit einem Heimbewohner, der bereits verstorben ist, wurde mir außerdem bewusst, wie tragisch diese gesamte Situation doch ist. Da sind Menschen, die ein unglaublich schweres Leben hinter sich haben, die die Geschehnisse des Holocaust hautnah miterlebt haben, bei der Staatsgründung und all den darauffolgenden Kriegen und Aufständen mehr oder weniger dabei waren und jetzt am Ende ihres Lebens wieder in den Notstand gezwungen werden. Einfach nur erschütternd!

Aber wir haben hier die Chance, Gottes Liebe an genau diese Menschen weiterzugeben und aus allem das möglichst Beste zu machen. Da bewundere ich besonders diejenigen, die bereits seit geraumer Zeit hier die Stellung halten und sich immer wieder kreative Lösungen und Optimierungen für die aktuelle Situation einfallen lassen.
Währenddessen geht das Leben für uns alle weiter, mit allen Sicherheitsvorkehrungen und was sonst noch so dazugehört. Und der größte Schutz, den wir haben, ist der Hüter Israel, der nicht schläft noch schlummert (vgl. Psalm 121,4). Was können die Menschen uns da noch antun (vgl. Psalm 56,12)?!

Gott befähigt diejenigen, die er berufen hat (vgl. Matthäus 14,22ff), das bewahrheitet sich immer wieder!