von Judith Rentschler
An Tagen ohne Detonationen und Flugzeuglärm, bei blauem Himmel und Vogelgezwitscher scheint der Krieg weit weg – ein Anruf genügt, um sich der grausamen Realität wieder bewusst zu werden. Einzelschicksale geben dem Schrecken ein Gesicht. Hier ist eins davon:
»Kommst du mit zum Nova-Festival? Ich habe zwei Tickets bekommen.« – Da der 22-jährige Dor Almog am 6. Oktober 2023 für eine wichtige Uniprüfung lernen wollte, verneinte er das Angebot seines Freundes Amit. Er schlief über seinen Büchern ein und erwachte am nächsten Morgen zu den ersten Nachrichten des Massakers, bei dem über 1400 israelische Männer, Frauen und Kinder ermordet und 257 in den Gazastreifen entführt wurden; 133 von ihnen befinden sich noch immer in den Händen der Hamas.
Obwohl Dor seinen regulären Militärdienst erst im Juni beendet hatte, meldete er sich nach diesen Ereignissen freiwillig zum Reservedienst und wurde mit seiner Einheit im Gazastreifen eingesetzt. Seine Mutter Moran, die als Reservesoldatin parallel dazu an der israelischen Nordgrenze stationiert war, ließ uns an der Sorge um ihren Sohn teilhaben und wir nahmen die beiden in unsere Gebete auf.
Moran nahm sich einen Urlaubstag, als sie am 22. Januar 2024 die Nachricht bekam, dass Dor nach monatelangen Kämpfen nach Hause käme. Zuhause bereitete sie alles für seine Ankunft vor und kochte und kochte.
Als er am frühen Nachmittag noch nicht gekommen und auch telefonisch nicht zu erreichen war, überkam sie ein ungutes Gefühl, das sie schnell zur Seite schob. Doch gegen 18 Uhr standen zwei Offiziere der IDF an ihrer Wohnungstür und überbrachten ihr die Hiobsbotschaft der bislang verlustreichsten Operation des gegenwärtigen Krieges: Nur wenige hundert Meter von der israelischen Grenze entfernt sollten Dor und 21 Kameraden einen verlassenen Häuserkomplex sprengen, der Terroristen als Versteck gedient hatte. Durch einen Zwischenfall seien die mehrstöckigen Gebäude zu früh eingestürzt und hätten die Soldaten unter sich begraben. Dor hatte als einziger überlebt – allerdings mit lebensbedrohlichen Verletzungen.
Im Rückblick erinnert sich Dor: »Im Augenblick der Explosion fühlte ich mich eingehüllt in wohltuende Wärme, spürte meinen Freund Amit in meiner Nähe – dann stürzte ich in die Tiefe, zwei Stockwerke … – Als ich zu mir kam, bemerkte ich Brandgeruch und sah Licht, das durch die Öffnung schien, die die Panzerfaust hinterlassen hatte. Ich wusste, da muss ich raus. Gleichzeitig war mir bewusst, dass man mich draußen für einen Terroristen halten könnte … – Doch dann waren es nur noch Erinnerungsfetzen: Hubschrauber, ein Gefühl von Schweben zwischen Leben und Tod, vermeintlich umgeben von allen meinen Kameraden, und doch wieder allein mit meinen Schmerzen …
Als ich im Krankenhaus langsam aus dem künstlichen Koma erwachte, war ich mir sicher, dass meine Freunde in den Nachbarbetten lägen. Ich rief nach ihnen: Mark? Sergej? Elkana? Juval? Joav? Nikolas? Matan? Hadar? Rafael? Cedric? Ariel? Sagi? Itamar? Israel? Nir? Adam? Shai? Daniel? – Niemand antwortete.«
Dor hatte als einziger überlebt.
Heute, ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn und zweieinhalb Monate nach dem Unglück hat Dor fünf Operationen und Hauttransplantationen hinter sich. Ein langer Weg der Rehabilitation steht noch vor ihm. Doch er ist zuversichtlich: »Ich bin hiergeblieben, weil es für mich noch etwas zu tun gibt.«
Seine Mutter Moran und zwei der Rettungskräfte, Eitan und Moshe, die Dor unter starkem Beschuss erste Hilfe geleistet und ihn zum Rettungshubschrauber gebracht hatten, sprechen rückblickend von »Wunder über Wunder«.
Rückblickend sagt seine Mutter Moran: »Jeden Morgen sage ich Danke für das Wunder, das uns geschehen ist. Bis heute weiß ich nicht, wie mein Sohn es geschafft hat, aus den Trümmern zu kriechen, woher er die Kraft bekam. Er spürte seine Arme und Beine nicht, befand sich in akuter Erstickungsgefahr und schaffte es, in Richtung des Lichtes, das er sah, nach draußen zu gelangen. Bisher hat niemand eine Erklärung dafür, wie er das geschafft hat.«
Auch die beiden Rettungssanitäter erinnern sich: »Ich hätte nicht gedacht, dass da einer überlebt. Wunder über Wunder. Dor war durch Ruß und Staub schwarz von Kopf bis Fuß, sein ganzer Körper war voller Granatsplitter, 40% seiner Haut waren verbrannt, er litt unter Sauerstoffmangel.« – »Explosionen, Feuer, Raketensplitter, Einsturz von Häusern – eines dieser Ereignisse zu überleben ist unwahrscheinlich – alles zusammen zu überleben ist eigentlich unmöglich. Ich habe in den letzten Monaten viele Freunde verloren und Schreckliches gesehen. Es ist wie ein schwarzer Bildschirm. Zu sehen, dass Dor gegen jede Wahrscheinlichkeit überlebt hat, ist ein kleiner weißer Punkt der Hoffnung auf diesem Bildschirm.«
Gebetsanliegen:
- Dank für Wunder der Durchhilfe Gottes, die Israel in der tiefsten Tiefe immer wieder erlebt.
- Dors Genesung, körperlich und seelisch.
- seine Familie und Freunde, die ihn in dieser Zeit begleiten
- Körperliche und seelische Kraft für die Rettungskräfte, Ärzte und Pflegepersonal
- Trost für die Familien und Freunde, die Angehörige verloren haben
- Bewahrung für alle, die aktuell im Einsatz sind
- Weisheit für uns Mitarbeiter in allen Gesprächen und Begegnungen